Hauptsache zufrieden (!?)

Frau vor einem Fenster

Als Korina Dielschneider zur Blogparade mit dem Titel „Hauptsache zufrieden!?“ aufrief, war ich sofort von der Idee begeistert. Ich finde, „Zufriedenheit“ ist eine völlig unterschätzte Kraft, die zu Unrecht einen sehr verstaubten Ruf hat. Aber ihr Wert wird spätestens dann deutlich, wenn sie uns völlig abhanden gekommen ist.

Lassen wir es nicht soweit kommen!

Blogparade

Vielleicht noch ein Satz zur Blogparade, bevor ich ins Thema einsteige. Bei einer Blogparade werden BloggerInnen aus unterschiedlichen Bereichen aufgerufen, ihre Sicht auf ein bestimmtes Thema in ihren Blogs zu teilen. Ziel ist es, dass am Ende aus den vielen Sichtweisen ein neues, umfassenderes Bild entsteht und dass wir uns darüber mit möglichst vielen Menschen austauschen.

Schauen wir uns die Zufriedenheit mal genauer an.

Was ist sie für dich? Kannst du dich direkt mit dem Gefühl verbinden oder ist es eher ein Konstrukt? Hältst du sie für erstrebenswert oder ist sie für dich eher eine bequeme Genügsamkeit?

Worthülse, Wert oder Konstrukt?

Zufriedenheit ist ein Wort, das mit unterschiedlichen Gefühlen und Sichtweisen verbunden ist. Wer den Begriff googelt, wird schnell merken, dass es keine einheitliche Definition gibt und dass der beschriebene Zustand auch etwas schwammig bleibt.

Zufriedenheit wird in der Psychologie definiert als die Übereinstimmung einer bestimmten Erwartung oder eines angestrebten Ziels eines Menschen vor einer Handlung mit deren tatsächlichem Erleben danach. In der Emotionen-Klassifikation zählt die Zufriedenheit zu den positiven Bewertungsemotionen.“ (DocCheck)

Somit stehen unsere Erwartungen, Wünsche und Abneigungen im direkten Zusammenhang mit unserer Zufriedenheit und Unzufriedenheit.

Wie jede Emotion wird Zufriedenheit sehr individuell ausgelöst und empfunden. Sie ist nicht nur für den Einzelnen interessant, sondern auch für Unternehmen in Bezug auf ihre Kunden und Mitarbeiter.

Kann man Zufriedenheit messen?

Auch Länder wie Bhutan, UK und sogar die Europäische Union erheben Zufriedenheitsumfragen, um herauszufinden wie zufrieden Menschen mit ihrem Leben sind oder mit einzelnen Aspekten des Lebens. Das Ziel ist, mehr über die Faktoren zu lernen, um langfristig Einfluss auf die Zufriedenheit der Bürger zu nehmen.

Ganz unproblematisch sind solche Umfragen natürlich nicht, denn es gibt nicht nur unterschiedliche Definitionen für den Begriff Zufriedenheit, sondern auch eine gänzlich subjektive Empfindung, wann sie erreicht ist.

In vielen Mitarbeiter- oder Kundenumfragen wurde schon dazu übergegangen, die Zufriedenheit einfach nur als die „Abwesenheit von Unzufriedenheit“ zu betrachten.

Das Messen der Zufriedenheit wird auch dadurch erschwert, weil Zufriedenheit kein statischer Zustand ist. Der folgende Satz beschreibt es schön:

„Zufriedenheit tritt nicht automatisch ein, sondern muss sich in der ständigen Auseinandersetzung mit der Unzufriedenheit behaupten.“

Wikipedia und zahlreiche Websites, die keine Quelle nennen

Zufriedenheit ist also eine Momentaufnahme und es gibt individuelle Faktoren, die sie fördern und Faktoren, die ihr in die Quere kommen.

Je achtsamer wir im Augenblick sind, desto bewusster können wir diese Faktoren wahrnehmen und hinterfragen. Was fördert unsere Zufriedenheit und was nicht? Wie realistisch, überzogen und sinnvoll sind unsere Erwartungen?

Was wäre, wenn alle Erwartungen erfüllt sind? Wären wir dann zufrieden?

Ich behaupte mal: Nein!

Erwartungen und ihre Entwicklung

Unsere Erwartungen entstehen ja aus unterschiedlichen Motiven heraus. Manche sind existentiell, andere entwickeln sich durch die Erziehung, durch den Einfluss unseres Umfeldes und der Gesellschaft, in der wir leben.

Erwartungen zu haben, ist eine ganz natürliche menschliche Eigenschaft. Damit sie nicht ausufern, ist es wichtig, sie zu überprüfen. Wie fordernd sind die Erwartungen, die wir an unsere Mitmenschen, an unser Leben und an uns selbst stellen?

Vor allem dürfen wir uns immer vor Augen halten, dass die Erfüllung aller Wüsche auch nicht die Lösung ist.

In dem Moment, in dem alle Erwartungen erfüllt sind, kommen die nächsten um die Ecke und nagen erneut an unserer Zufriedenheit. Das Spiel wird nie zu Ende gehen, wenn wir uns nur auf die Erfüllung von Wünschen und Erwartungen konzentrieren.

Leider ist genau das, die zu beobachtende Tendenz. Wie sonst könnten wir uns den Konsumrausch erklären, die andauernde Suche nach dem nächsten Kick oder die Optimierung von allem – uns eingeschlossen inkl. unsere Außendarstellung.

Druck von außen – Wirtschaft & Co.

Wie müssen nicht lange suchen, um zu erkennen, woher das kommt. Das Wirtschaftswachstum würde mit dem flächendeckenden Zustand der Zufriedenheit stark eingeschränkt und das versucht man zu unterbinden, in dem immer neu Begehrlichkeiten geweckt werden. Ganze Industriezweige leben von künstlich geschaffenen Bedürfnissen und sie verstehen es sehr gut, diese in uns zu wecken.

Zufriedenheit wird auf der anderen Seite auch oft mit „Stillstand“ gleichgesetzt. Es heißt, dass den zufriedenen Menschen der „Hunger“ nach Entwicklung fehlt. Mit Verlaub, das ist in einer Leistungsgesellschaft auch völlig fehl am Platz, denn hier soll ja was geleistet werden. Überall gibt es Hierarchien, die zeigen, dass es immer noch eine Stufe höher geht und dass es da oben noch mehr gibt.

Der Vergleich mit anderen, zu dem wir ständig gedrängt werden – sei es durch die Werbung oder durch Influencer – stachelt unsere Wünsche und Erwartungen nur noch an.

Wer gibt sich heute noch mit „zufrieden“ ab, wenn es auch großartig, aufregend, atemberaubend und grandios sein kann?

Wir leben wir in einer Welt der Superlative, eine Welt, die – mal ganz nebenbei bemerkt – gerade vor die Hunde geht.

Brauchen wir für Zufriedenheit einen Grund?

Zufriedenheit braucht nicht immer einen Grund uns sie kann auch in schweren Zeiten existieren. Genauso braucht auch die Unzufriedenheit keinen Grund und kann in guten Zeiten zum Vorschein kommen. Manche nennen das dann „Jammern auf hohem Niveau“.

Es gibt Menschen, die rein theoretisch ganz unten auf der Skala der Zufriedenheit stehen müssten, weil ihre Existenz bedroht ist, ihrer Gesundheit auf dem Spiel steht oder sie einen Schicksalsschlag hinnehmen mussten. Das ist aber nicht zwangsläufig der Fall. Viele sehen trotz allem noch das Gute in ihrem Leben und können in manchen Bereichen sogar Zufriedenheit finden.

Genauso gibt es diejenigen, die „eigentlich“ alles haben, aber trotzdem über alles jammern, lamentieren und zutiefst unzufrieden sind.

Da Zufriedenheit eine Emotion ist, gibt es sie auch nicht als Dauerzustand. Sie kann sich ganz schnell mit der Unzufriedenheit abwechseln, aber wir können beide nie zeitgleich empfinden. Worauf legen wir den Fokus? Welchen Zustand regulieren wir und welchen fördern wir?

Einschränkung: Wer mit seiner Zufriedenheit dauerhaft im Keller ist und eine Lähmung verspürt, die alle Energie zu entziehen scheint, braucht jedoch mehr als ein paar gute Tipps. In einem solchen Fall haben wir es oft mit einem Krankheitszustand zu tun, der nicht mit ein paar Übungen zu beheben ist. Menschen mit einer schweren Depression oder Burnout gehören in professionelle Hände.

Wie kommen wir wieder zur Zufriedenheit zurück?

Für alle anderen gibt es zahlreiche Möglichkeiten, bewusst auf die Zufriedenheit Einfluss zu nehmen. Dies ist eine überaus lohnenswerter Ansatz, denn Zufriedenheit ist ein wichtiger Teil unsers Wohlbefindens, der unsere Gesundheit und Lebensqualität entscheidend mitbestimmt.

Wenn unsere Zufriedenheit so eng an unsere Erwartungen geknüpft ist wie eine Sache laufen soll oder wie ein Moment zu sein hat, dann haben wir schon mal einen guten Ansatzpunkt. Haben wir unsere überzogenen und unrealistischen Erwartungen angepasst, können wir weitere Schritte unternehmen, um unsere Zufriedenheit wieder auf ein Level zu heben, das unabhängig ist von dem was uns in den Medien und manchmal auch in der Gesellschaft vorgegaukelt wird.

  • Bewusst machen, was wir alles haben (Güter, Freunde, Familie, Talente, Fähigkeiten, etc.) und was gut läuft
  • Erwartungen immer wieder bewusst machen und überprüfen. Auch Erwartungen sind nicht immer gleich stark. Oft stehen sie in Zusammenhang mit unserer Stimmung oder dem Zustand unseres Nervensystems.
  • Überprüfen, worauf wir im Alltag den Fokus legen. Sind wir von Menschen umgeben, die zufrieden oder unzufrieden sind? Welche Nachrichten hören wir von morgens bis abends? Wie sehr konzentrieren wir uns auf das Negative und wie sehr bemühen wir uns, das Positive zu sehen?
  • Je präsenter wir sind, umso klarer können wir entscheiden, wie wir auf eine Sache reagieren wollen und was in dem Moment wirklich wichtig ist.
  • Immer wieder innehalten und reflektieren, statt sich ständig mit anderen zu vergleichen. Oft sehen wir nur einen kleinen Ausschnitt. Würden wir das ganze Bild sehen, wollten wir vermutlich nicht tauschen.
  • Sich der eigenen Emotionen bewusst zu sein, ist der erste Schritt. Sie angemessen zu regulieren, statt impulsiv zu reagieren, ist der zweite. Beides ist wichtig, um gute Entscheidungen zu treffen und umsichtig zu handeln.
  • Wir haben nicht über alles die Kontrolle. Vieles entzieht sich unserem Einfluss. Das Unausweichliche zu akzeptieren, ist ein großer Schritt, um die Unzufriedenheit in Maßen zu halten.
  • Dankbarkeit und Freundlichkeit sind Dünger für den Boden, auf dem unsere Zufriedenheit gedeiht. Beides aktiviert unser Belohnungssystem und löst gute Gefühle in uns aus. Holen wir unsere Zufriedenheit zurück, indem wir der Welt unseren Dank und unsere Freundlichkeit schenken.

Da jeder Mensch Altlasten mit sich herumschleppt, wie z.B. schmerzhafte Erfahrungen, die immer wieder hochkommen, gehört es auch dazu, dass wir unsere negativen Erlebnisse verarbeiten, anstatt sie im Unbewussten walten zu lassen.

Alles entsteht und alles vergeht – so ist auch die Zufriedenheit nur ein Gast. Die Erwartungen, immer zufrieden sein zu müssen, ist so überzogen, wie der Wunsch mit einer Sache oder einem Menschen immer glücklich zu sein.

Fazit zum Thema Zufriedenheit

Zufriedenheit ist viel mehr als das Ausbleiben von Unzufriedenheit. Beides darf nebeneinander stehen. Wir brauchen die Unzufriedenheit, denn sie ist der Motor, der uns antreibt, das zu verändern, was grundsätzlich falsch läuft. Nur so können wir bessere Bedingungen schaffen – für uns, für andere und für die Welt.

Jeder Zustand von Zufriedenheit ist eine Momentaufnahme und kann durch viele Maßnahmen beeinflusst werden. Wir sind den Umständen nicht ausgeliefert. Nicht die Umstände selbst sind das Problem und kosten uns die Zufriedenheit, sondern wie wir sie bewerten, was wir von ihnen fordern und erwarten.

Zufriedenheit hat nichts mit Stillstand zu tun. Wer in einem zufriedenen Zustand arbeitet, bringt sich mit all seinen Fähigkeiten ein und erlebt oft einen sehr produktiven Flow, in dem häufig auch wertvolle und kreative Ideen kommen.

Zufriedenheit hat auch nichts mit Faulheit oder dem Stagnieren der eigenen Entwicklung zu tun. Ganz im Gegenteil! Zufriedenheit schafft einen Raum, in dem wir uns selbst neugierig und offen begegnen und auf ganz natürliche Weise weiterentwickeln können – nicht weil es jemand von uns verlangt, sondern weil wir frei sind und Lust drauf haben.

Ich wünsche dir alles Gute und eine XXL-Portion Zufriedenheit.

Much love,

Gabriele von attention.rocks